Methoden der Unternehmensbewertung: Multiplikatorverfahren

29. September 2023
Multiplikatorverfahren Unternehmensbewertung

Bei jedem Unternehmenskauf oder -verkauf ist eine fundierte Bewertung essenziell. Im Folgenden wird das Multiplikatorverfahren erläutert und dabei geprüft, inwiefern es für eine vollumfängliche Unternehmensbewertung geeignet ist.

Das Multiplikatorverfahren stellt eine Bewertungsmethode dar, die den Unternehmenswert aus einer Vielzahl von Transaktionen ähnlicher Unternehmen ableitet. Basis der Berechnung ist ein branchenspezifischer Multiplikator oder Multiple, durch welchen schnell ein Unternehmenswert bestimmt werden kann. Multiplikatoren werden meist mit dem EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) verrechnet, können sich aber auch auf den Umsatz eines Unternehmens beziehen. 

-> Hier geht es zu den aktuellen (KMU) Multiples

Rechenbeispiel

Ein mittelständischer Automobilizulieferer hat einen EBIT von 0,75 Mio. EUR.

Die Fahrzeugbau und -zubehör-Branche hat einen EBIT Multiplikator von 5,0.

EBIT 0,75 Mio. EUR * EBIT-Multiplikator 5,0 = Unternehmenswert 3,75 Mio. EUR

Vorteile des Multiplikatorverfahrens

Einfache Anwendung

Der zentrale Vorteil des Multiplikatorverfahrens liegt – wie oben zu sehen ist – in seiner unerhörten Einfachheit. Oberflächlich betrachtet jedenfalls. Denn wie immer steckt der Teufel im Detail. Überwiegend kann das EBIT oder der Umsatz, wie es sich im Jahresabschluss findet, nicht verwendet werden; es müssen vorher noch Abgrenzungen und Korrekturen durchgeführt werden. Dennoch ist dieses Verfahren weit einfacher und schneller einsetzbar, als die anderen diskutierten. Denn ganz offenkundig ist klar, dass keine aufwendigen Berechnungen, Prognosen oder Annahmen über zukünftige Cashflows oder Erträge nötig sind. Stattdessen basiert die Bewertung auf Transaktionen von Vergleichsunternehmen, die branchenspezifisch sind. 

Branchenspezifität

Die Multiplikatoren (=Multiples) werden basierend auf vergangenen Transaktionen berechnet und dabei speziell für verschiedene Branchen erstellt. Unternehmenswerte können sich aufgrund unterschiedlicher Branchen stark unterscheiden, da diese verschiedene spezifische Risiken, Wachstumsraten und Marktbedingungen aufweisen. Verfolgt man die Multiples über mehrere Quartale, so kann ein Trend erkannt werden, wie sich Branchen entwickeln.

Nachteile des Verfahrens mit Multiplikatoren

Begrenzte Genauigkeit

Die Bewertung mit einem Multiplikator kann aufgrund seiner Einfachheit zu ungenauen Ergebnissen führen. Es berücksichtigt nicht alle spezifischen Eigenschaften und Umstände des zu bewertenden Unternehmens.

Abhängigkeit von Multiples

Die Bewertung hängt zu einem großen Teil von den branchenspezifischen Multiples ab. Und dies ist das wesentliche Problem im Mittelstand. Während es für Unternehmen, die an der Börse gelistet gibt, jede Menge Daten gibt, ist das bei mittelständischen Unternehmen nicht der Fall. Die Multiples basieren auf gemeldeten Daten von M&A Beratern und stellen damit bestenfalls eine Stichprobe dar und decken den Markt nicht vollständig ab. Unterschiede gibt es nicht nur in Abhängigkeit von der Branche, sondern auch von der Größe der Vergleichsunternehmen. 

Vergangenheitsorientierung

Das wohl größte Problem dieser Methode ist seine reine Vergangenheitsorientierung. Potenziale oder Entwicklungen werden nicht in Betracht gezogen. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass ein Unternehmen mehr wert ist, das in der Vergangenheit erfolgreich war. Aber was helfen einem Käufer vergangene Ergebnisse und was sagen sie wirklich über das aus, was er damit verdienen kann? Zu denken sei nur an den typischen Risikohinweis bei Kapitalanlagen. 

Vergleich zu anderen Bewertungsmethoden

Für den Vergleich ziehen wir das das Ertragswertverfahren, das DCF-Verfahren und das Substanzwertverfahren heran. In separaten, verlinkten Artikeln finden Sie ausführliche Erklärungen zu diesen Methoden.

Ertragswertverfahren

Das Ertragswertverfahren unterscheidet sich deutlich von der Bewertung mit Multiplikatoren. Es wird davon ausgegangen, dass der Unternehmenswert den Barwert, der mit dem Eigentum am Unternehmen verbundenen zukünftigen Nettozuflüsse darstellt. Die Berechnung ist komplizierter und bezieht Prognosen mit ein.

Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren)

Das Discounted Cashflow-Verfahren betrachtet die diskontierten zukünftigen Cashflows, um den Unternehmenswert zu ermitteln und ähnelt dem Ertragswertverfahren in der Herangehensweise. Problematisch an den beiden investitionstheoretischen Verfahren (DCF- & Ertragswertverfahren) sind die Basis der Schätzung, die zu treffenden Annahmen und die Prognosen selbst, welche nicht selten schwierig zu treffen sind und Interpretationsspielraum zulassen. Vorteilhaft bei diesen Varianten ist jedenfalls, dass sie im Gegensatz zum Multiplikatorverfahren einen Blick in die Zukunft wagen.

Substanzwertverfahren

Das Substanzwertverfahren ermittelt den Wert eines Unternehmens anhand der Vermögenswerte abzüglich der Schulden. Beide Methoden beinhalten keine zeitliche Komponente und kommen ohne Prognosen aus. Es handelt sich ebenfalls um zwei leicht zu berechnende Methoden, welche aber an Genauigkeit leiden.

Wie gut eignet sich das Multiplikatorverfahren also zur Unternehmensbewertung?

Die zentrale Herausforderung einer Unternehmensbewertung besteht darin, ein Unternehmen ganzheitlich und unter Berücksichtigung aller Werte – der materiellen und heutzutage viel wichtiger, der immateriellen – zu bestimmen. Das Multiplikatorverfahren eignet sich lediglich, um schnell eine grobe Einschätzung des Unternehmenswerts zu erhalten. Wenn das Unternehmen sehr typische Eigenschaften für eine Branche aufweist, kann sich eine Berechnung mit Multiplikatoren eignen. Allerdings sollte die Methode mit Vorsicht angewendet werden, da sie nicht alle individuellen Aspekte eines Unternehmens berücksichtigt und viel zu ungenau ist. Um Branchentrends zu erkennen und zu vergleichen, kann einen Blick auf aktuelle Multiples jedoch sehr interessant sein.

Wie bewertet man also ein Unternehmen? – aumento value® estimation

Bisher hat sich keines der existierenden Bewertungsmodelle in unserer Praxis als passend erwiesen, um Einschätzungen, die der mittelständischen Unternehmenswelt adäquat wäre, zu treffen. Es ist notwendig, sowohl quantitative Aspekte wie Finanzdaten als auch qualitative Elemente zu berücksichtigen, um einen fundierten, überprüfbaren und objektiven Unternehmenswert zu ermitteln. Dank der Vereinigung diverser bewährter Bewertungsansätze und unserer langjährigen Expertise im M&A-Sektor haben wir ein spezifisches Bewertungssystem für mittelständische Unternehmen kreiert. Dieses System trägt den Namen aumento value® estimation. Die Einzelheiten und speziellen Charakteristika unseres Vorgehens können Sie im Artikel „Unternehmensbewertung: Was ist mein Unternehmen wert?“ nachlesen.

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